Hannu Prinz
Lange nicht mehr dagewesen
28.10.2022 – 28.11.2022
„Lange nicht mehr dagewesen“. In der Tat. Das Leben kam immer wieder dazwischen. Dann die Pandemie. Aber es gibt uns noch. Hannu Prinz auch. Präsenter denn je, erlaubt er hier einen kleinen aber feinen Rückblick. Auf Arbeiten wie „Die Schwelle“ von 2015 (Pferdefell und Acryl auf Leinwand) oder „Akire Olleh“ von 2012 (Öl und Acryl auf Leinwand). Beides förmliche Grenzüberschreitungen. Ersteres ethisch, das andere medial. Das Pferdefell war für Hannu Prinz die Erfüllung visueller Haptik schlechthin. „Ethisch wie malerisch war das für mich eine Herausforderung damals und heute wahrscheinlich noch mehr. Aber ich konnte mich diesem Material nicht entziehen“, erinnert er sich. „Akire Olleh“ ist visualisierte Sprache, ein unkonventionelles Gedicht, ein Experiment von Übersetzung und Miteinander der Disziplinen, eine Ode an die künstlerische Freiheit.
Und wo ist der rote Faden? Einfach überall. Er spannt sich wie ein Spinnennetz quer durch den Raum, erschwert den Zugang, macht es auch physisch anstrengend sich den Arbeiten zu nähern. Aber dann sind sie ganz nah. Ganz offen, voller Zwischenräume, die den Betrachter einladen, zwischen den Zeilen zu lesen. Sie sind da und wollen nichts. Sie funktionieren für sich. Aber wenn ein Außen dazukommt, ein fremder Blick, eine neue Perspektive, dann leben Sie auf, werden Wahrheit und Geschichte zugleich.
Als Hannu Prinz etwa 2009/2010 den Pinsel gegen die Nähmaschine getauscht hat und sich der Bildfindung auf eine neue Weise genähert hat, wurde das Spektrum der angesprochenen Sinne erweitert und der Verstand neu gefordert. Es geht seither verstärkt um Materialität, Haptik, die Paradoxie und Bedeutung der Dinge. Zufall wird mitgedacht, altbekannte Muster. Um sie im gleichen Moment zu lenken, zu brechen und sich zunutze zu machen. Indem Materialien aus unserem alltäglichen Umfeld zu Bildträgern oder besser Bildbestandteilen werden, sind Hannu Prinz´ Arbeiten von vornherein aufgeladen. Wie Ready Mades spielen sie mit der ursprünglichen Bedeutung oder Funktion und überführen durch den Kontext- und Perspektivwechsel in eine nahezu surrealistische Betrachtungsweise. Inspiriert vom Theater und Film, werden wir eingeladen, in andere Welten zu schlüpfen und zu träumen, Sehnsüchten zu folgen. Da dienen Verschlusssysteme wie Reißverschlüsse oder Knöpfe gern als Schlüssel und Codes für das Eintreten in eine andere Sphäre oder Rolle. Frei nach „Kleider machen Leute“ steht das Stoffliche für die Wünsche und das Repräsentationsbedürfnis der Akteure. Wohlwissend, dass es der hohle Schein ist, der uns verführt. Doch vor Hannu Prinz Arbeiten folgen wir dem Schein gern, er führt uns zu Ideen, die wir uns allein nicht erträumen könnten.
Anna Lattmann